Paul und Victoria für ihre Facharbeiten mit dem Margot-Spielmann-Preis ausgezeichnet!
Victoria und Paul (beide Q2) wurden am 7. Dezember im Jüdischen Museum Westfalen in Dorsten für ihre geschichtlichen Beiträge mit dem „Margot-Spielmann-Preis“ ausgezeichnet. Gemeinsam mit den beiden erfolgreichen Gymnasiasten freut sich ihr Geschichtslehrer Hendrik Schulze Ameling über diese besondere Würdigung. Victoria und Paul befinden sich jetzt in der Stufe 12. Von Herbst 2020 bis Ende April dieses Jahres recherchierten sie für ihre Fach- beziehungsweise Projektarbeit. Jetzt sind beide sehr glücklich, dass ihre intensive Beschäftigung mit schwierigen geschichlichen Themen durch diese Auszeichnung belohnt wurde.
„Ein Statement gegen das Vergessen – Die Jugend- und Frauenverfolgung im Nationalsozialismus am Fall Maria Potrzeba“ lautet das Thema der Projektarbeit von Victoria. Dabei geht es um das Schicksal von Maria Potrzeba, geb. Kösters, die aus Asbeck stammt und als 14-Jährige Vollwaise von 1941 bis 1945 aufgrund eines Kontaktes mit zwei polnischen Zwangsarbeitern (Kriegsgefangenen) im Jugendschutzlager Uckermark inhaftiert war. „Dieses Jugendschutzlager war mit dem Frauenkonzentrationslager Ravensbrück verbunden. Maria hat die schreckliche Zeit dort überlebt. Sie ist nach ihrer Entlassung zurück in ihre Heimat gekommen, dort war sie aber nicht erwünscht, deshalb lebte sie anschließend in Berlin,“ erzählt Victoria. Über das bewegende Schicksal von Maria erfuhr sie einige Einzelheiten von ihrem Großvater. Die Lebensgeschichte seiner Verwandten kannte ihr Opa aber nicht. Deshalb entschloss sich Victoria, im Nachlass der im Jahr 2017 verstorbenen Maria Potrzeba nach Spuren zu suchen. „Maria wurde im Jahr 1941 eine sexuelle Beziehung mit den beiden Zwangsarbeitern unterstellt, sie konnte sich nicht gegen diese Behauptungen wehren, deshalb verhaftete man sie und steckte sie ins Jugendschutzlager. Die beiden Polen Josef G. und Florian S. wurden hingerichtet,“ berichtet Victoria. Die Vredenerin konnte aufgrund ihrer umfangreichen Recherchen in den Archiven in Legden-Asbeck und im kult, sowie durch die Unterstützung von Volker Tschuschke und Hendrik Schulze Ameling alle Informationen über das Schicksal ihrer entfernt Verwandten zu einer Biografie zusammenfügen. So erfuhr die Gymnasiastin auch, dass Maria Potrzeba später nur noch einmal wieder nach Asbeck kam, und zwar gemeinsam mit Gisela Schwarze, die im Jahr 2009 das Buch „Es war wie Hexenjagd“ veröffentlichte. „Es war für mich sehr schwierig, dieses Thema zu bearbeiten, da es mir emotional sehr nahe ging. Aber jetzt weiß ich, was passiert ist und habe alles aufgeschrieben, um das Vergessene nicht vergessen zu lassen,“ hebt Victoria hervor.
Paul wurde für seine Facharbeit „Die Behandlung des Nationalsozialismus und Holocaust im Geschichtsunterricht an Gymnasien in Nordrhein-Westfalen in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre – am Beispiel des Gymnasium Georgianum in Vreden“ neben dem „Margot-Spielmann-Preis“ zusätzlich noch mit dem 1. Preis der Gesellschaft für historische Landeskunde ausgezeichnet. „Mein Archiv für die Recherchen waren Zeitzeugen, also Schüler, die in den 60er Jahren am Vredener Gymnasium unterrichtet wurden,“ sagt Paul. Außerdem sprach er unter anderen mit Dr. Hermann Terhalle, der damals am Georgianum Erdkunde und Geschichte unterrichtete. „Manche Schüler wollten mit mir nicht über ihre damaligen Erfahrungen sprechen,“ erklärt Paul Scharmann. Die rechtlichen Grundlagen, also das Curricula für den Geschichtsunterricht der Schulen in NRW in den 60er Jahren, recherchierte er gemeinsam mit einer Mitarbeiterin des Kulturministeriums NRW. „Glücklicherweise waren alle Unterlagen digitalisiert, an unserer Schule gab es leider keine alten Unterlagen mehr,“ erzählt Paul weiter. Erschreckend sei für ihn gewesen, dass auch am Gymnasium Georgianum die Behandlung des Nationalsozialismus, so wie es von den damaligen Schülern in Zeitzeugeninterviews geschildert wurde „ein ganz dünnes Kapitel“ war. Auch wenn die Schüler*innen aus den 1960er Jahren es größtenteils nicht hinterfragten, so bilanziert es Paul in seiner Facharbeit, könne man beim Unterrichtsthema Nationalsozialsmus und Holocaust von einer nicht erfüllten Bringschuld der Lehrer*innen sprechen. Genauso wie für Victoria ist es auch für Paul sehr bedeutsam, mit seiner Facharbeit einen Beitrag zu leisten, der sich gegen das Vergessen von Nationalsozialismus und Holocaust wendet, damit sich diese schreckliche Zeit niemals wiederholt.
(Anne Rolvering, Münsterland Zeitung)